Dr. Timo Renz, Dr. Wieselhuber & Partner

Trendradar 2023

Die „möbel kultur“ hat Experten und Interessenvertreter nach ihren persönlichen Erwartungen für das Jahr 2023 gefragt. Dazu hat Dr. Timo Renz, Managing Partner bei der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber und Partner, die vier wichtigsten Herausforderungen für 2023 skizziert.

Zeitenwende: CEO-Agenda erneuern!

Die bisherige Stabilität in unserem Wirtschaftssystem ist aus dem Gleichgewicht geraten. 2023 muss dem Top-Management in der Möbelbranche ein ­Spagat gelingen: Einerseits sind operativ „brennende“ Herausforderungen zu lösen – z.B. Gesellschaften oder Mitarbeitende in Krisenregionen sichern, Produk­tions- und Lieferfähigkeit aufrechterhalten, Energieversorgung sicherstellen –, andererseits sind langfristig ausgerichtete Transformationsentscheidungen vor dem Hintergrund mächtiger Veränderungstreiber – z.B. Nachhaltigkeit, Digitalisierung – zu treffen. Geführt vom CEO heißt es für das Top-Management in der Zeitenwende: aktiv voran gehen, Risiken minimieren und die Robustheit des Unternehmens stärken.

Kostenexplosion: Pricing den inflationären Zeiten anpassen!

Die Kosten für Energie, Rohstoffe, Logistik, Verpackung etc. explodieren, Lohnkostensteigerungen werden erwartet und die Inflationsrate wird so bald nicht signifikant sinken. Je nach Segment in der Möbelbranche – ob Küche, Polster, Wohnen, Schlafen, Büro- oder Gartenmöbel – können massive ­Anpassungen im Pricing erforderlich werden, was zusätzlicher „Zündstoff“ für die Verhandlungen zwischen Industrie und Handel sein kann. Doch: Unternehmen müssen jetzt entsprechende Pricing-Modelle entwickeln, die einerseits eine Weitergabe der gestiegenen Kosten gewährleisten, andererseits aber auch dem Aspekt der preislichen Wettbewerbsfähigkeit Rechnung tragen. Die größte Herausforderung: Viele Handelnde betreten absolutes Neuland, doch Zeit- und Ergebnisdruck erlauben kein „Trial & Error“. Nur wer jetzt rasch und richtig agiert, kann sein Ergebnis trotz Inflation und Konjunktureintrübung sichern.

Nachhaltigkeit: Auf allen Ebenen verankern!

Der Druck auf die Möbelbranche durch gestiegene ESG-Anforderungen, beispielsweise bei Finanzierungstätigkeiten, sowie erhöhte Reporting- und Managementanforderungen durch das neue Lieferkettengesetz wächst. Zusätzlich tickt auch die CO2-Uhr: Deutschlands nachhaltigste Unternehmen im Bereich Konsumgüter werden bis spätestens 2027 ihren CO2-Footprint um durchschnittlich 50+1 Prozent reduziert haben (W&P Studie 2022). Auch wenn Konsumenten kurzfristig aufgrund teils horrender Preissteigerungen eventuell weniger Augenmerk auf nachhaltige Produkte legen: Nachhaltigkeit muss jetzt in der Unternehmensstrategie verankert werden. Das Commitment von Ikea, bis 2030 ausschließlich zertifiziert erneuerbare oder recycelte Materialien zu verwenden, zeigt den Weg in die Zukunft. Neben ökologischen und sozialen Vorteilen sichert dies die zunehmend volatilen Lieferketten im Rohstoffeinkauf ab und entwickelt daraus resultierende Produkte weg vom Nischenangebot hin zu einem Hygienefaktor im Wettbewerb.

Black-Swan-Events: Business Continuity Management etablieren!

In einer Welt geopolitischer und energieversorgungstechnischer Unsicherheiten müssen Möbelzulieferer und -produzenten Präventivmaßnahmen entwickeln, um die Produktions- und Lieferfähigkeit zu sichern. Klassische Risikoanalysetools, die sich auf wahrscheinliche Risiken im direkten Umfeld fokussieren, stoßen an ihre Grenzen, denn: Sie lassen Black-Swan- Events außer Acht. Statt nach jedem unvorhersehbaren Ereignis überrascht in den Krisenmodus zu schalten, gibt Business Continuity Management (BCM) Unternehmen einen „präventiven Notfallplan“ zum Schutz vor existenzbedrohenden Gefahren an die Hand. Mit Hilfe von Szenarien, die spezifisch für das jeweilige Unternehmen und in der respektiven Wertschöpfungskette der Möbelbranche erarbeitet werden, lassen sich alternative Handlungsabläufe entwickeln. Bei der Einführung von BCM sollte darauf geachtet werden, kulturkompatibel und pragmatisch vorzugehen, um nicht durch die Angst vor einem Bürokratiemonster die sinnvollen BCM-Aktivitäten im Keim zu ersticken. BCM hilft dann, die gesamte Wertschöpfungskette von Möbelzulieferern und -produzenten robuster und zuverlässiger zu machen und generiert einen kommunizierbaren und ggf. auch monetarisierbaren Wettbewerbsvorteil, in dem man sich als zuverlässiger und lieferfähiger Partner positioniert.

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